Weihnachtsgeschichte nach Udo Lindenberg

  • Die Weihnachtsgeschichte nach Udo

    Maria und Josef waren schon ne' ganze Weile verlobt, da sagte Maria eines Tages: "Du, Josef, ich weiß ja auch nicht wieso, aber ich glaube ich bin schwanger; was machen wir denn jetzt?"- "Junge, Junge, das is'n Ding", dachte Josef, "mit wem hat die sich denn hinter meinem RĂŒcken eingelassen? Da werd ich mich doch sofort entloben. Eigentlich schade!" Weil es aber schon so spĂ€t war und ihn die ganze Sache ganz schön mitgenommen hatte, sagte er sich: "Okay, ich entlobe mich erst morgen", und legte sich erstmal ins Bett.

    Was'n GlĂŒck, denn genau in der Nacht erschien ihm ein Engel. Der stand vor seinem Bett, schimmerte und sagte: "Also Josef, alter Junge, ich bin der Engel des Herrn und die Sache mit deiner Braut geht in Ordnung. Das war kein Hausfreund, sondern der Heilige Geist persönlich - und der Sohn, der da rauskommt, ist tierisch wichtig, damit das Volk und ĂŒberhaupt die Welt endlich mal von den ganzen SĂŒnden erlöst wird.
    Das muss ja auch mal sein - also heirate die Maria und nennt das Kind Jesus. Alles klar? Okay, tschĂŒss." Und damit schwebte der Engel wieder los.
    Josef war platt, aber er machte, was der Engel gesagt hatte, und alles lief normal weiter, bis eines Tages der König, so Anfang Dezember, auf die Idee mit der VolkszĂ€hlung kam. Da musste sich also jeder in seinem Geburtsort melden und weil Josef aus Nazareth war, mussten sie dahin, obwohl das 'ne ganze Ecke zu laufen war. "ScheißbĂŒrokraten", schimpfte Josef, "mit uns können die es ja machen! Also los, Maria, es hilft nix, pack' die Koffer!"
    Am 24. Dezember war's dann soweit. Maria merkte, dass sie wohl heute das Kind kriegen wĂŒrde, und Josef rannte sich den Arsch ab, um in dem ĂŒberfĂŒllten Bethlehem 'ne Bleibe aufzutreiben. Aber fĂŒr ein Hotel langte die Kohle nicht, KrankenhĂ€user gab's keine und die billigen GasthĂ€user waren rappelvoll. Es war tierisch kalt und bis zum Abend hatte er nichts weiter gefunden als einen Stall, den ihm ein Bauer angeboten hatte, der sich dachte: "Naja, fĂŒr die AuslĂ€nder geht das schon, die können ruhig zu den Eseln und KĂŒhen, die sind sowieso nix besseres gewohnt....."

    "Schweinekalt ist das heute", sagte gerade ein Hirte zu seinen Kollegen, mit denen er draußen auf dem Feld um's Feuer saß und auf die Schafe aufpasste, als ihnen dieser komische Stern auffiel. Auch seine Kumpels hatten so ein Ding noch nie gesehen. Riesengroß mit einem mordslangen Kometenschweif hintendran.
    "Das ist ja ein Hammer, wenn das nix zu sagen hat?!", meinten die Hirten noch, als es auf einmal unheimlich hell wurde und dieser Engel (derselbe, der im Juni Josef besucht hatte) erschien. Gleich mit Riesenorchestern und mit Chor und mit allem Drum und Dran. Die Hirten waren völlig von den Socken, aber da sagte der Engel schon: "Jungs, keine Angst. Ich hab 'ne göttliche Nachricht fĂŒr euch" (und der Chor sang im Hintergrund immer mit) ihr wolltet doch schon immer einen Erlöser, so einen richtig guten Typen, der fĂŒr alles zustĂ€ndig ist, euch die SĂŒnden abnimmt, einen der vom Himmel kommt und hier mal endlich Frieden schafft, den euch die Könige immer nur versprechen, wenn sie sich gerade selbst ernennen, stimmt's? -
    Seht ihr, jetzt habt ihr einen. G'rade ist er geboren worden: Er ist noch ziemlich klein und liegt in einem Futtertrog in einem Stall, aber das ist der, auf den ihr immer gewartet habt. Jesus heißt er! Lasst eure Schafe mal fĂŒr 'ne Stunde alleine und geht hin zum gratulieren."
    Damit verschwand der Engel mit dem Chor und der ganzen Lightshow und die Hirten gingen los, um das Kind zu suchen.

    Als sie in dem Stall ankamen, lag das Kind wirklich im Futtertrog und sie gratulierten Maria und Josef und freuten sich alle und es war ein ziemliches GedrÀnge und eine Riesenstimmung in dem Stall.

    Und heute schiebt Jesus mit inzwischen verheilten HĂ€nden und FĂŒĂŸen die Wolken beiseite und guckt sich den kranken Weihnachtszirkus hier an und denkt: "Diese traurigen, scheinheiligen Christen, lamettabehangene Alibi-Abholer einmal im Jahr! Wie soll ich das blos wieder unserem Vater klarmachen?"
    © Udo Lindenberg

    "Manche Menschen sind wie dunkle Wolken, wenn sie verschwinden scheint die Sonne"